Die Geschichte Angkors beginnt mit Jayavarman II.. Dieser war als Geisel des javanischen Königreiches Sailendra aufgewachsen. Im Jahre 790 schickte Sailendra den jungen Prinzen zurück nach Chenla, einem frühen Reich im Gebiet des heutigen Kambodscha, und machte ihn dort zum König, vermutlich in der Hoffnung, ihn leicht kontrollieren zu können. Bakong.
 
Jayavarman II. dachte jedoch nicht daran, Statthalter von Javas Gnaden zu sein und schmiedete heimlich Allianzen mit lokalen Fürsten und Königen.
Im Jahre 802 ernannte er sich schliesslich, in einem hinduistichen Ritual, das er auf Java kennengelernt hatte, zum Gottkönig ("Devaraja") und errichtete seine Hauptstadt in Hariharalaya, dem heutigen Roluos.
Sofort begann er, sein neues Reich auszudehen und strikt zu zentralisieren.
Über die direkten Nachfolger Jayavarmans II. ist kaum etwas bekannt. Im Jahre 877 bestieg jedoch Indravarman I. den Thron von Hariharalaya und mit ihm setzte eine rege Bautätigkeit ein.
Mit dem Bakong schuf er praktisch den Prototypen eines Tempelberges und er begann mit dem Bau des Indratataka-Barays, dem ersten grossen Bewässerungssystem im Bereich Angkors.
Indravarman I. folgte sein Sohn Yasovarman I. auf
den Thron. Dieser verlegte seine Hauptstadt nach Yasodharapura, in das Gebiet des späteren Angkor. Seinen zentralen Tempel errichtete er auf dem Hügel des Bakheng und er bgann mit dem Bau des riesigen östlichen Baray. Militärisch dehnte er das Reich bis nach Südthailand und Laos aus. Ihm folgten nacheinander seine Söhne auf den Thron, über deren Regierungszeit kaum etwas bekannt ist, die jedoch offensichtlich schwache Herrscher waren, denn parallel errichtete Jayavarman IV. in Koh Ker einen eigenen Regierungssitz mit zentralem Tempel. Dieses Privileg stand eigentlich nur dem König zu und es ist klar, dass Jayavarman IV., vermutlich ein Bruder Indravarmans I., nach Höherem strebte. So liegt auch der Tod Isanavarmans II., einer der beiden Brüder, im Dunkeln und Jayavarman IV. trat die Nachfolge an. Er regierte jedoch weiterhin von Koh Ker, etwa 80km nordöstlich von Angkor, aus.
Nach seinem Tod bestieg sein Sohn Harshavarman II. den Thron in Koh Ker, was offensichtlich nicht dem Wunsch des Vaters entsprach. Die Folge waren Auseinandersetzungen um die Thronfolge und Harshavarman II. suchte die Hilfe seines Onkels Rajendravarman. Als Harshavarman II. jedoch unter ungeklärten Umständen starb, bestieg eben dieser Rajendravarman den Thron.
Er verlegte die Hauptstadt zurück in das Gebiet Angkors und errichtete den Pre Rup als seinen Herrschaftstempel. Rajendravarman eroberte Gebiete zurück, die unter seinen schwachen Vorgängern verloren gegangen waren und unter seiner Herrschaft kam es zu einem ersten Aufblühen des Buddhismus, obwohl er selbst kein Anhänger dieser Religion war.
 
Blüte
 
Rajendravarman folgte sein Sohn Jayavarman V., der sich zunächst mit Rivalitäten anderer Prinzen konfrontiert sah. Nachdem er diese aus dem Weg geräumt hatte, verlief seine Regierungszeit jedoch friedlich und brachte dem Khmer-Reich eine Phase der Stabilität und des Wohlstandes. Auch er verlegte seine Hauptstadt und errichtete als zentralen Tempel den Ta Keo.
Auch die Nachfolger Jayavarmans V. waren schwache Könige und im Jahre 1002 machte ein gewisser Suryavarman I. Ansprüche auf den Thron Angkors geltend. Die Folge war ein achtjähriger Bürgerkrieg aus dem Suryavarman I. als Sieger hervorging.
Obwohl auch seine Regierungszeit von internen Auseinandesetzungen geprägt war, gelang es Suryavarman I. das Reich auszudehnen. Er begann mit dem Bau des westlichen Barays und errichtete den Königspalast auf dem Gelände des späteren Angkor Thom. Seine Regierungszeit markierte eine Zeit der Blüte und des wachsenden Wohlstandes. Ihm folgte sein Sohn Udayadityavarman II. auf den Thron, der als Erbauer des Baphuon bekannt ist. Er wiederum wurde von seinem Sohn Harshavarman III. gefolgt, dessen Regierungszeit zunehmend von Auseinandersetzungen mit den Cham, einem Volk aus dem Gebiet des heutigen Vietnam, geprägt war.
In der Gegend von Khorat war ein weiteres lokales Machtzentrum entstanden und der dortige Führer beanspruchte unter dem Namen Jayavarman V. ebenfalls die Regierungsmacht. Es ist unklar, ob er die Macht in Angkor an sich riss oder ob er sich die Macht zunächst mit Harshavarman III. teilte, jedenfalls folgte mit Dharanindravarman I. ein Spross der Khorat-Familie auf den Thron Angkors und die alte Dynastie endete.
Im Jahre 1112 übernahm schliesslich ein Grossneffe Dharanindravarmans I. die Macht und vereinigte das zerstrittene Reich gewaltsam. Als Suryavarman II. bestieg er den Thron in Angkor und führte in der Folge eine Reihe von Feldzügen gegen die Cham, die jedoch letztlich erfolglos blieben.
Angkor Wat Suryavarman II. gilt als einer der kriegerischsten Könige Angkors. Seine Regierungszeit markiert aber auch einen kulturellen Höhepunkt in der Geschichte Angkors. Er liess eine Reihe neuer Tempel bauen und weitere renovieren. Sein Name ist jedoch für alle Zeit mit dem riesigen Angkor Wat verbunden, als dessen Erbauer Suryavarman II. gilt und der das absolute Meisterwerk der Khmer-Architektur darstellt.
Über das Ende Suryavarmans II. ist nichts bekannt, man vermutet jedoch, dass er im Kampf starb.
Ihm folgte sein Cousin Dharanindravarman II. auf den Thron, über dessen Regierungszeit ebenfalls nichts bekannt ist. Sein Nachfolger wurde Yasovarman II., der jedoch im Jahre 1165 von einem gewissen Tribhuvanadityavarman gestürzt wurde.
Diese Zeit der inneren Auseinandersetzungen nutzten im Jahre 1166 die Cham, um einen Landangriff auf Angkor zu starten, der jedoch abgewehrt werden konnte. Im Jahre 1177 versuchten sie es erneut, wobei sie jedoch ihre Taktik änderten : Unterstützt von chinesischen Seefahrern segelten sie mit einer grossen Flotte zur Mündung des Mekong und von dort flussaufwärts in den Tonlé Sap hinein. Am 14. Juni 1177 fielen sie plötzlich in Angkor ein, eroberten und plünderten die verschiedenen Städte. Tribhuvanadityavarman wurde getötet. Diese traumatische Tiefpunkt in der Geschichte Angkors, legte jedoch auch den Grundstein für einen grossartigen Höhepunkt.
 
Jayavarman VII.
 
Ein Sohn Dharanindravarmans II. befand sich gerade auf einem Feldzug gegen die Cham, als er vom Tode seines Vaters und der Machtübernahme durch Yasovarman II. erfuhr. Um den Thron geprellt, zog er sich zurück und schmiedete heimlich Allianzen mit einer Reihe von lokalen Herrschern. Auch die Machtübernahme durch Tribhuvanadityavarman sass er zunächst aus. Als die Cham Angkor übefielen, sah er eine günstige Gelegenheit. Mit einem grossen Heer zog er gegen die Cham und fügte ihnen eine Reihe schwerer Niederlagen zu. In einer grossen Seeschlacht auf dem Tonlé Sap gelang es ihm schliesslich, den Feind entgültig zu besiegen und aus Angkor zu vertreiben. Im Jahre 1181 bestieg er als Jayavarman VII. den Thron.
Zunächst liess er umfangreiche Befestigungsanlagen errichten. Ein Ergebnis sind die gewaltigen Mauern Angkor Thoms, dass er zu seiner Hauptstadt machte. Jayavarman VII. war wie sein Vater Anhänger des Mahayana-Buddhismus und er machte diesen zur Staatsreligion. Ob dies einem tiefen religiösen Bedürfnis entsprang oder ob er einfach erkannt hatte, dass die alte Religion nach der verheerenden Niederlage durch die Cham keine rechte Legitimation mehr besass, bleibt sein Geheimnis. Vermutlich kam einfach eins zum anderen.
Jayavarman VII. behielt jedoch das Prinzip des Devaraja, wenn auch in abegmilderter Form, bei. Anstelle einer hinduistischen Gottheit erklärte er Avalokitesvara, den buddhistichen Boddhisatva des
Tuerme am Bayon.

grenzenlosen Mitleides, zu seiner Schutzgottheit. Um die neue Religion zu festigen, liess Jayavarman VII. eine Unzahl an neuen Tempeln errichten, darunter den Preah Khan, den Ta Prohm und, als seinen zentralen Tempel, den Bayon, ein Meisterwerk der Khmer-Architektur. Charakteristisch für die Tempel aus dieser Epoche sind die Türme, die das milde lächelnde Gesicht Avalokitesvaras zieren. Man geht heute davon aus, dass diese Gesichter die Züge des Königs tragen, was durchaus seinem Selbstverständnis als gütiger Vater seiner Nation entsprechen dürfte. Jayavarman VII. baute das Strassensystem aus und liess, ganz im Sinne Avalokitesvaras, überall im Reich Hospitäler errichten. Er war jedoch auch in militärischen Dingen überaus erfolgreich und unter seiner Regierung erreichte das Reich der Khmer seine grösste Ausdehnung. Selbst Reiche in Burma und auf der malayischen Halbinsel werden in Quellen als Vasallen Angkors genannt.
Allgemein gilt die Regierungszeit Jayavarmans VII. als Goldenes Zeitalter der Khmer. Auch heute noch geniesst er grösste Verehrung in Kambodscha und seine Büsten und Standbilder sind häufiger anzutreffen, als die des gegenwärtigen Königs. Jayavarman VII. war der grösste Baumeister Angkors und man stösst überall auf Zeugnisse seiner Regierungszeit. Offensichtlich läutete aber auch sein enormer Bauwahn das Ende Angkors ein, denn er brachte das Reich an die Grenzen seiner Kapazitäten. Nachdem alle Sandsteinvorkommen in der Umgebung aufgebraucht waren, musste man diesen von weit her heranschaffen. Der Bau und die Instandhaltung der Tempel verschlangen Unsummen und banden Legionen von Arbeitern, die an anderen Stellen gebraucht wurden.
Jayavarman VII. starb 1220 und sein Tod läutete auch das Ende des Khmer-Imperiums ein, auch wenn es noch beinahe 200 Jahre fortbestehen sollte.

 
Niedergang
 

Von den Nachfolgern Jayavarmans VII. besass keiner auch nur annähernd das Potential dieses Königs. Indravarman II. und Jayavarman VIII. versuchten die Uhr zurückzudrehen und den alten hinduistischen Glauben und den Devaraja-Kult neuzubeleben. Hiervon zeugen zahlreiche Zerstörungen an den buddhistischen Tempeln Jayavarmans VII.
Zur selben Zeit kündigten sich gravierende Umwälzungen in Südostasien ab. Mit der Schwäche der Zentralmacht schwand auch deren Einfluss in der Peripherie des Reiches. Auf dem Gebiet des heutigen Thailand gab es eine Reihe von Thai-Fürsten und Generälen, die sich zwar in der Khmer-Hierarchie hochgearbeitet hatten, jedoch mit den autoritären Herrschaftsstrukturen zusehends unzufrieden waren.
Im Jahre 1238 erhoben sich zwei Thaifürsten mit Namen Khun Bang Klang Tao und Khun Pha Mung und nahmen die Garnisonsstadt Chalieng, das heutige Si Satchanalai, ein. Hier teilten sie ihre Armee und während ein Teil die Khmer-Armee, die in Sukothai stationiert war, zur Schlacht herausforderte, nahm der andere Teil die unbefestigte Stadt ein.
Im Jahre 1249 bestieg Khun Bang Klang Tao als Sri Inthrathit den Thron des neuen Königreiches Sukothai. Sein Gefährte wurde, da er mit einer Khmer verheiratet war, Vizekönig. Dem neuen Reich schlossen sich schnell weitere Thai-Fürsten an. Im Jahre 1253 eroberte die Mongolen-Armee Kublai Khans die südlichen Provinzen Chinas und löste eine Massenflucht der dortigen Bewohner nach Süden aus. Dort trafen sie auf ihre Verwandten, die Thai, die die Flüchtlinge aufnahmen. So wuchs der Einfluss der Thai immer mehr.
1279 bestieg mit Ramkamhaeng schliesslich ein charismatischer Führer den Thron Sukothais. Ramkamhaeng war ein militärisches Genie, dem es gelang, dass Reich Sukothais enorm zu vergrössern, zumeist auf Kosten des Khmer-Reiches. Auf der andren Seite scheint er aber auch ein äusserst milder und menschenfreundlicher Herrscher gewesen zu sein, dem das Wohl des Volkes am Herzen lag. Auch dies ein Grund dafür, warum sich Gebiete des Khmer-Reiches bereitwillig von den Autokraten in Angkor abwandten und sich Sukothai anschlossen. Darüberhinaus hatte er einen guten Draht zu den Mongolen, mit denen er Handel betrieb und somit vor ihren Angriffen einigermassen sicher war. Stattdessen eroberten die Mongolen 1282 das Reich der Cham und standen nun praktisch vor der Haustür Angkors.
Das Ende Angkors wurde jedoch an anderer Stelle besiegelt. Im Jahre 1351 gründete ein thailändischer Prinz namens U Thong in der ehemaligen Khmer-Festung Ayutthaya sein eigenes Reich und ernannte sich unter dem Namen Ramathibodi I. zum König Ayutthayas. Im Gegensatz zu den gemässigten Herrschern Sukothais errichtete Ramathibodi I. ein strenges Regime und übernahm sogar Teile des Devaraja-Kultes in seine Herrschaft, allerdings in abgemildeter, buddhistischer Form. Ayutthaya wurde schnell zur bestimmenden Militärmacht auf dem Gebiet des heutigen Thailand und schon im Jahre 1352 marschierten die Truppen Ramathibodis I. in Angkor ein und machten es zu einem Vasallen. Die Machtverhältnisse hatten sich umgekehrt.
Auch wenn die Thais nicht lange in Angkor blieben, die Stadt war in der Folge immer wieder Ziel siamesischer Angriffe. Gleichzeitig änderte sich aber auch die Wirtschaft der Khmer und China rückte noch stärker in den Fokus der kambodschanischen Wirtschaftsinteressen.
Im Norden versperrte jedoch Ayutthaya den Landweg und Angkor war als Seehafen denkbar ungeeignet. Die Stadt lag liegt zwar der Nähe des Tonlé Sap, dieser ändert jedoch regelmässig mit den Jahreszeiten seine Tiefe und Ausdehnung.
Phnom Penh wiederum, am Zusammenfluss von Mekong und Tonle Sap gelegen, verfügt über einen Zugang zum Meer, liegt auf der anderen Seite aber auch in unmittelbarer Nähe zu den enormen Fischgründen des Sees und dem umliegenden fruchtbaren Land. Daneben setzte sich etwa ab dem 14. Jahrhundert auch in Kambodscha der Theravada-Buddhismus durch. Das Interesse an zumeist hinduistischen Göttern geweihten Monumentalbauten schwand also ebenfalls. So wurde Phnom Penh immer wichtiger, während Angkor immer mehr an Bedeutung verlor. Im 15. Jahrhundert wurde Angkor schliesslich von Phnom Penh als Hauptstadt abgelöst. Die meisten Tempel wurden aufgegeben und vefielen. Vergessen, wie oft behauptet, wurden sie jedoch nie.
In den folgenden Jahrhunderten rückte Kambodscha immer mehr ins Zentrum der Interessen der beiden lokalen Grossmächte Siam und Vietnam, die sich das kleine Land gewissermassen als Puffer zwischen sich hielten, jedoch ständig Einfluss ausübten. Bei den Thais kam noch hinzu, dass sie den Khmer kulturell sehr nahe standen. Beide Völker waren von Indien geprägt, beide praktizierten den Theravada-Buddhismus und auch die Sprachen besitzen grosse Ähnlchkeiten. Auch heute noch betrachten viele Thais die Khmer als kleine Brüder, die hin und wieder auf den richtigen Weg gebracht werden müssen.

Modell des Angkor Wat im Wat Phra Khaeo. 1767 wurde Ayutthaya von den Burmesen eingenommen und zerstört. Dies brachte den Khmer jedoch nur kurzfristige Erleichterung denn mit Taksin bestieg ein überaus ambitionierter Nachfolger den Thron Siams, der nicht nur innerhalb kurzer Zeit die Burmesen aus Siam vertrieb, sondern auch direkt sein Einflussgebiet in Kambodscha ausdehnte und die Provinzen Battambang und Siem Reap erobete. Nach seiner Ermordung folgten die Könige der bis heute regierenden Chakri-Dynastie auf den Thron Siams, die Kambodscha weiterhin als Puffer zwischen sich und Vietnam ansahen. Auch die Thai-Könige zeigten grosses Interesse an den Tempeln in Angkor. Davon zeugt ein Modell, dass Rama IV. im Wat Phra Khaeo in Bangkok aufstellen liess, um der siamesischen Be-
völkerung diesen Schatz "seines" Reiches zu präsentieren. Andererseits war das Interesse wiederum auch nicht so gross, um deshalb einen Konflikt mit Frankreich und etwa den Verlust der eigenen Unabhängigkeit zu riskieren. 1907 wurden die von Siam eroberten Provinzen Battambang und Siem Reap nach "Verhandlungen" mit den Franzosen zurückgegeben. Diese hatten im Jahre 1864 einen Protektoratsvertrag mit dem kambodschanischen König Norodom geschlossen und ihm die Entscheidung zur Unterzeichnung mit ein paar Kanonenbooten erleichtert. Dies bedeutete vorerst das Ende eines unabhängigen Kambodscha.
 
Auferstehung
 
Auch heute noch hält sich der Mythos, die Tempel Angkors wären nach der Verlagerung der Hauptstadt von den Khmer vergessen worden und erst französische Forschern hätten die Ruinen zufällig wiederentdeckt und den Khmer von den Franzosen als kuturelles Erbe zurückgegeben. Diese Behauptung gehört ins Reich der kolonialistischen Propaganda. Die Tempel Angkors waren den Khmer immer bekannt und wurden nie vergessen. Der Angkor Wat wurde beispielsweise früh zum buddhistischen Tempel "umgerüstet" und beherbergte kontinuierlich eine grosse Anzahl an Mönchen. Auch die Ruinen des "ruhenden Buddha" am Baphuon beweisen eindeutig, dass einige Tempel Angkors immer als Plätze religiöser Anbetung gedient haben. Dass die meisten anderen Tempel verfielen, liegt nicht an Desinteresse oder mangelndem National- oder Geschichtsbewusstsein. Die verbliebene, nun überwiegend dem Theravada-Buddhismus angehörige Bevölkerung Angkors hatte schlicht und ergreifend keinen Bedarf an monumentalen Tempeln, die zu dem noch oftmals hinduistischen Gottheiten geweiht waren. Hinzu kommt natürlich auch die buddhistische Haltung, dass ohnehin alles vergänglich und irgendwann dem Verfall preisgegeben ist.
Darüber hinaus dürfte die Bevölkerung angesischts der ständigen Spannungen und Kriege in dem Gebiet wohl kaum die Musse und noch weniger die Mittel gehabt haben, die zur Instandhaltung der Tempel notwendig gewesen wären.
Im Jahre 1860 hatten die Franzosen ihr Regime im benachbarten Vietnam weitestgehend gefestigt. Im gleichen Jahr erreichte der französische Naturforscher Henri Mohout auf einer Reise durch Südostasien Angkor. Mohout wird oft als erster Europäer in Angkor bezeichnet. Auch dies ist falsch. Es gab schon frühere Berichte portugiesischer Händler aus dem 16. Jahrhundert und von Missionaren, die jedoch nicht beachtet wurden. In seinen Aufzeichnungen erwähnt Mohout selbst den Bericht Vater Bouvillevaux', eines französischen Missionars, der Angkor schon Jahre vor Mohout besucht hatte. Mohout starb 1861 in Laos.
1864 dehnten die Franzosen ihren Einfluss auf Kambodscha aus und machten das Land zu einem Protektorat. Frankreich wurde von einer regelrechten
Das Grab Mohouts nahe Luang Prabang.
Asien-Euphorie erfasst, im Zuge derer 1868 Mohouts illustrierter Reisebericht "Voyage à Siam et dans le Cambodge" in Frankreich veröffentlicht wurde und einen wahren Angkor-Boom auslöste. Abenteurer besuchten die Ruinen und wer es sich leisten konnte, liess sich ein Stück aus Angkor nach Europa mitbringen. Zahlreiche Kunstschätze wurden zerstört oder landeten in Museen oder privaten Sammlungen.
Glücklicherweise fanden sich jedoch auch in Europa viele Leute mit Einfluss, die in den Tempeln nicht nur Symbole kolonialer Grösse sahen. Schon 1899 gründete sich in Frankreich die École française d' Extrême-Orient (EFEO), die sich die Erforschung und Bewahrung der Anlagen zum Ziel gesetzt hatte. Diese Arbeiten wurden erheblich vereinfacht, nachdem die Provinz Siem Reap im Jahre 1907 von den Thais an Kambodscha zurückgegeben wurde und nun direkt unter französicher Kontrolle lag. Die EFEO wurde direkt der französischen Kolonialverwaltung unterstellt und Leiter wurde Jean Commaille.
Zunächst begann man damit die Ruinen zu katalogisieren. Anschliessend wurden sie unter erheblichem Aufwand aus dem tropischen Wald freigelegt. Jean Commaille selbst wurde 1916 von Plünderern ermordet. Sein Grab befindet sich auf dem Gelände des Bayon. Ihm folgte Henri Marchal. Dieser reiste im Jahre 1930 nach Java und lernte dort eine Restaurierungsmethode kennen, die die Holländer am berühmten Borobudur-Tempel erfolgreich angewandt hatten.
Bei dieser, Anastylose genannten Methode werden beim Wiederaufbau in der Regel nur die Originalbauteile verwendet. Neue Elemente sollen möglichst nur verwendet werden, wenn sie für den Aufbau unbedingt erforderlich sind, z.B. aus statischen Gründen. In diesem Falle sollten sie jedoch möglichst von Originalteilen verdeckt sein. Nachträgliche Ergänzungen und Ausbesserungen wiederum sollen als solche erkennbar sein. In Fällen starker Zerstörungen sieht die Anastylose vor, dass die Ruinen komplett auseinandergenommen, alle Teile analysiert, katalogisiert und anschliessend, evtl. auf einem neuen Fundament, wieder zusammengebaut werden. Der erste Tempel, der mit dieser Methode restauriert wurde, war der Banteay Srei. Auch heute noch findet die Anastylose-Methode Verwendung. Dass diese Methode jedoch auch Risiken birgt, zeigte sich beim Wiederaufbau des Baphuon. Hier hatte man fast den gesamten Tempel auseinandergenommen, die Teile katalogisiert und untersucht. In den Kriegswirren verschwanden jedoch die Unterlagen, was zur Folge hatte, dass man nun auf einem grossen Haufen Steine sass, über die man kaum noch etwas wusste. Trotzdem machte sich ein französisches Team daran, dieses riesige Puzzle wieder zusammenzusetzen. Die Arbeiten sind jedoch bis heute nicht abgeschlossen.
Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Tempel wiederhergestellt. Selbst während des Zweiten Weltkrieges wurden die Arbeiten fortgesetzt. Erst die Wirren der Indochina-Kriege, die Bombardierung Kambodschas und das Terror-Regime der Roten Khmer stoppten die Restaurierungsarbeiten. Bemerkenswert ist vor allem, dass offenbar selbst die Roten Khmer Respekt vor den Tempeln hatten und sie von ihrer Zerstörungswut weitgehend verschont blieben. Nach der Vertreibung und Zerschlagung der Roten Khmer, dem Abzug der Vietnamesen und der Beendigung des Bürgerkrieges normalisierte sich die Lage langsam. im Jahre 1992 wurde Angkor von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und die Tempel, die man zuvor allenfalls als Hintergrundbilder von Kriegsszenarien kannte, rückten erneut ins allgemeine Interesse.
1993 fand in Tokyo eine internationale Konferenz statt und als Ergebnis wurde das International Coordinating Commitee (ICC) unter japanischer und französischer Führung gegründet, dass die Restaurierungsarbeiten nun überwacht. Dieses Kommittee beauftragte verschiedene Teams aus verschiedenen Ländern mit bestimmten Arbeiten. So ist z.B. das German Apsara Conversation Project mit der Restaurierung der Apsaras am Angkor Wat und am Preah Ko beauftragt, ein chinesisches Team baut den Chao Say Thevoda wieder auf, ein indonesisches Team beschäftigt sich mit den Gopuras am Königspalast in Angkor Thom usw.. Die kambodschanische Regierung gründete APSARA ( Authority for the Protection of the Sites and Administration of the Region of Angkor ), eine Organisation, die für den Schutz und Erhalt der Tempel und für die Koordinierung der Restaurationsarbeiten zuständig ist.
Heute gehört Angkor zu den wichtigsten Touristenzielen in Asien.
 
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