Banteay Srei liegt etwa 20km nordöstlich von Angkor am Fusse der Kulen-Berge. Es handelt sich um einen relativ kleinen Tempel, der Shiva gewidmet ist. Die geringe Grösse mag auch daher rühren, dass es sich um keinen königlichen Tempel handelt, sondern Banteay Srei wurde von einem Brahmanen-Priester in Auftrag gegeben, der vermutlich ein Lehrer Rajendravarmans war. Verzierungen am inneren Heiligtum. Meisterwerke der Khmer-Kunst.
 
Was Banteay Srei vielleicht an Grösse vermissen lässt, macht er jedoch durch seine Dekorationen wett. Der harte, rosafarbene Sandstein aus dem der Tempel errichtet wurde, ermöglichte eine besonders detaillierte Ornamentik und Banteay Srei gehört für viele zu den schönsten Khmer-Tempeln überhaupt.
Aus dieser Tatsache rührt auch der relativ moderne Name, der soviel wie "Zitadelle der Frauen" bedeutet, da man annahm, dass nur eine Frau in der Lage war, so feine Steinmetzarbeiten zu schaffen.
Eine Inschrift gibt genaue inweise auf die Entstehung des Tempels, demnach begannen die Arbeiten an Banteay Srei um das Jahr 965 herum, unter König Rajendravarman. Auftraggeber des Tempels war Yajnavaraha, ein Ratgeber des Königs, der später Guru des nachfolgenden Königs Jayavarman V. wurde. Feriggestellt wurde der Tempel im Jahr 967, ein Jahr vor dem Tod Rajendravarmans.
Diese Daten sind jedoch heute umstritten und manche Forscher datieren den Tempel auf einen späteren Zeitraum, da gerade die Steinmetzarbeiten wegen ihrer Feinheit nicht so recht in das 10. Jahrhundert passen wollen, sondern vielmehr auf die späte Angkor-Periode hinweisen. Vielleicht hat man diese Arbeiten aber vielleicht auch nur später angebracht ?
Der Weg zum inneren Heiligtum. Banteay Srei wurde im Jahre 1914 eher durch Zufall im dichten Dschungel wiederentdeckt. Im Jahre 1930 begann die EFEO damit, den Tempel zu restaurieren, wobei man zum ersten Mal bei einem Khmer-Bauwerk die Anastylosis-Methode anwendete, mit der die Holländer zuvor schon erfolgreich den Borobudur-Tempel auf Java wieder errichtet hatten. Die Arbeiten wurden 1936 abgeschlossen, was für einiges Aufsehen in der Fachwelt sorgte.
Schlagzeilen hatte Banteay Srei jedoch schon vorher gemacht, als man nämlich im Jahre 1923 den Franzosen André Malraux beim versuchten Diebstahl von Skulpturen erwischte. Malraux wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, die er jedoch nie absass, weil sich in Frankreich führende Intellektuelle des Landes
mit ihm solidarisierten. Dies wäre an sich nicht besonders erwähnenswert, denn viele Ausländer betätigten und betätigen sich auch heute noch am lukrativen Geschäft mit gestohlener Kunst.
Die Museen Europas und Amerikas sind schliesslich voll mit gestohlenen Kunstwerken, gerade aus der Khmer-Zeit.
Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass der ertappte und verurteilte Kunstdieb Malraux nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter Charles de Gaulle ausgerechnet Kulturminister Frankreichs wurde. Unter "Kultur" versteht halt doch jeder etwas anderes.
Banteay Srei ist streng nach Osten ausgerichtet. Man betritt die Anlage durch den östlichen Gopura, der übrigens allein dasteht, d.h. es gibt keine Spuren für eine äussere Umgrenzungsmauer. Man vermutet, dass das Tempelgelände von einer hölzernen Palisadenmauer umgeben war. Innerhalb dieses Gopuras fand man übrigens die Hauptstele, deren In-
Eine Szene aus dem Ramayana : Die Affen Valin und Sugriva kaempfen um die Krone.
schrift Informationen über die Gründung des Tempels gab.
Hinter dem östlichen Gopura gelangt man zu einem etwa 70 m langen Damm, der von 32 Grenzsteinen markiert wird. Links und rechts von diesem Damm pasiert man die Ruinen ehemaliger Galerien, deren Dächer von Säulen gestützt wurden. Nördlich und südlich dieser Galerien befinden sich zwei weitere Galerien. auf dem Giebeldreieck der südlichen Galerie sieht man Shiva und Uma auf dem Bullen Nandi.
Am Ende des Dammes gelangt man zu einem weiteren Gopura, der nun wiederum Teil einer Umfassungsmauer aus Laterit ist. Vor diesem Gopura befinden sich noch die Reste zweier weiterer Galerien. In den Türrahmen dieses Gopuras II findet man Inschriften. (Der westliche Türsturz fehlt übrigens. Er befindet sich in einem Museum in Paris.)
Durchquert man den Gopura, befindet man sich nun innerhalb der Umfassungsmauer. Dieser innere Bereich wird von einem Wassergraben dominiert, der von einem weiteren Damm in zwei Teile getrennt wird.
Diesem Damm schliesst sich ein weiterer Gopura an, der durch seinen abgestuften und an den Ecken geschwungenen Giebel auffällt. Dieser Gopura II führt duch eine weitere Lateritmauer in einen weiteren Innenbereich, der zunächst einen beengten Eindruck macht. Das kleine Gebäude, vor dem man sich befindet, ist eigentlich ein weiterer Gopura, der durch eine weitere Mauer aus Ziegeln zum inneren Heiligtum führte. Diese Mauer ist jedoch zusammengestürzt. Auf beiden Seiten sieht man die Reste von Gebäuden, die wie in den Zwischenraum gequetscht wirken.
Man bezeichnet diese insgesamt sechs Gebäude auch als "Lange Hallen" und sieht in ihnen die Voläufer der Galerien, die erst später typisch für die Khmer-Architektur werden und erstmals im Ta Kaeo auftauchen.
Unmittelbar vor dem nächsten Gopura I befinden sich die Reste einer Statue des Bullen Nandi. Das westliche Giebeldreieck dieses Gopura I ziert eine berühmte Steinmetzarbeit : Die Affenbrueder Valin und Sugriva kämpfen um die Krone.
Dahinter gelangt man zum eigentlichen Heiligtum, das aus drei Türmen besteht. Besonders auffällig ist die geringe Grösse dieser Anlage und jeder, der schon einmal Khmer-Tempel gesehen hat, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, es handele sich hier um die Miniaturausgabe eines Tempels.
Alle Gebäude sind recht klein und befinden sich auf engem Raum und es ist fast unmöglich, zwischen den einzelnen Türmen herzugehen. Was der Tempel jedoch an Grösse vermissen lässt, macht er, wie schon erwähnt, durch seine Verzierungen mehr als wett. Es scheint, dass es keinen einzigen Stein gibt, der nicht in irgendeiner Weise bearbeitet ist. Der zentrale Turm ist etwas höher, als die anderen beiden. Dieser und der südliche Turm sind Shiva gewidmet, der nördliche jedoch Vishnu, eine ungewöhnliche Konstellation, denn normalerweise müsste ein Turm auch Brahma gewidmet sein. Die Türme befinden sich auf einer 90cm hohen Platform. Sechs kleine Treppchen führen zu dieser Platform. Die Treppchen werden von knienden Wächterfiguren bewacht. Die Körper der Figuren sind menschlich, die Köpfe variieren jedoch : Sie stellen Affen, Löwen, Garudas und Yakshas dar. Jeder Turm besitzt eine Öffnung in Richtung Osten. Die anderen Türen sind blind. Der zentrale Turm besitzt einen Vorbau, den Mandapa, der durch einen Korridor, den Antarala, mit dem zentralen
Suedlicher und zentraler Turm.
Heiligtum verbunden ist.
Im Norden und Süden des inneren Bereiches befinden sich noch zwei Bibliotheken aus Sandstein und Laterit. Sowohl diese Bibliotheken, mehr aber noch die zentralen Türme sind über und über mit atemberaubenden Steinmetzarbeiten verziert.
Steinmetzarbeiten an einem der Tuerme. An den Türpfosten der Türme findet man dreidimensionale Devas und Apsaras. Die Giebel und Türstürze gehören zu den feinsten, die die Khmer-Kunst je hervorgebracht hat und aufgrund der geringen Grösse des Tempels und seiner Gebäude sind sie recht gut zugänglich. Sie zeigen mythologische, hinduistische Begebenheiten und allein eine Beschreibung aller Arbeiten im Banteay Srei dürfte ein Buch füllen.
Verlässt man den inneren Bereich Richtung Westen, gelangt man zu einem Gopura, der zu einer Art Schrein umgestaltet wurde. Hier fand man eine Statue von Shiva und Uma, die auf seinem linken Schenkel sitzt. Diese wurde offenbar den Eltern des Tempelstifters gewidmet und befindet sich heute, wie die meisten
Originale aus dem Banteay Srei, im National Museum in Phnomh Penh. Direkt im Anschluss an diesen Schrein steht man vor dem westlichen Gopura, der allerdings in schlechtem Zustand ist.
Inschriften am Gopura II. Eine Szene aus dem Ramayana : Die Affenbrueder Valin und Sugriva kaempfen um die Krone. Giebeldreieck am Gopura I
 
Auch wenn Bantey Srei ausserhalb des eigentlichen Gebietes von Angkor liegt, ist ein Besuch dieses Tempels für jeden, an der an der Kunst der Khmer interessiert ist, ein Pflichttermin. Für die Fahrt zum Banteay Srei lohnt es sich, ein Taxi zu mieten, mit dem man dann weitere, etwas ausserhalb gelegene Stätten besuchen kann. Hierfür sollte man dann schon einen Tag veranschlagen.
 
Einer der "langen Saele", Vorlaeufer der spaeteren Galerien. Suedliche Bibliothek.
 
Der tanzende Shiva Indra reitet auf dem dreikoepfigen Elefanten Airavata und erzeugt Regen,  der das Feuer im Khandava-Wald loescht. Giebeldreieck der noerdlichen Bibliothek.
 
Krishna erschlaegt Kamsa. Giebeldreieck der noerdlichen Bibliothek. Geschwungener Giebel des Gopura II.
 
Waechterfigur an der inneren Platform. Reste einer Nandi-Statue.
 
Suedlicher Turm. Deva am mittleren Turm. Lotusfoermiger Steinpfosten am Weg.
 
 
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