"Seht meine Werke,
Ihr Mächtigen, und verzweifelt."
P.B. Shelley
Die riesigen Tempelanlagen von Angkor ("Die
Stadt") sind der steingewordene Beweis für die Existenz
einer einmaligen Hochkultur im Gebiet Kambodschas, die über
Jahrhunderte hinweg Südostasien dominierte und deren Einfluss
selbst heute noch in den verschiedenen Kulturen der Region spürbar
ist. Aber auch weltweit haben die Anlagen Angkors einen
einmaligen Stellenwert. Wohl jeder kennt mittlerweile die Silhouette
des gewaltigen Angkor
Wat oder die Türme mit den milde lächelnden Gesichtern
ihres Erbauers.
In Kambodscha selbst ist Angkor
omnipräsent : Die Nationalflagge ziert der Angkor Wat,
das Bier heisst "Angkor", es gibt eine Zigarettenmarke
namens "Angkor" und vor kurzer Zeit baute ein findiger
Tüftler in Phnom Penh aus Schrottteilen den ersten
Wagen aus
kambodschanischer Fertigung
und nannte ihn natürlich ebenfalls "Angkor". Als
im Jahre 2002 das thailändische Starlet Suwanna
Konying absurderweise behauptete, die Tempel Angkors
gehörten eigentlich zu Thailand, brach in Kambodscha, angestachelt
durch die Regierung, der Zorn gegen den reichen Nachbarn aus. Die
thailändische Botschaft in Pnomh Penh wurde gestürmt
und angezündet, unzählige thailändische Läden
ebenfalls zerstört. Angkor ist das Symbol ehemaliger
nationaler Grösse der Khmer. In einem Land, in dem
noch vor wenigen Jahrzehnten Kinder ihre Eltern und Schüler
ihre Lehrer denunzieren mussten und sie somit einem grausamen Tod
auslieferten, in dem Nachbarn sich gegenseitig ermordeten, das kulturelle
Leben beinahe komplett zerstört wurde und in dem heute das
einzige spürbare Wachstum das der Korruption ist, gibt es ausser
den Tempeln Angkors wenig, was als nationales Identifikationsobjekt
dienen könnte.
Ein paar Fakten :
Angkor umfasst ein Areal von etwa 200km². Es
handelte sich weniger um eine Stadt, als vielmehr eine Ansammlung
der verschiedenen Hauptstädte verschiedener Könige,
mit je einem zentralen Staatstempel. Der Name "Angkor"
("Stadt") stammt aus späterer Zeit und bezeichnet
das grosse Gebiet, in den sich diese Städte befanden.
Heute sind etwa 1000 Tempel und andere Bauwerke im Bereich
Angkors bekannt.
Schon im 13. Jahrhundert hatte Angkor
mehr als 1 Mio. Einwohner und war damit einer der grössten
Ballungsräume der Erde.( In Paris lebten zu dieser Zeit
ca. 50000 Menschen.) Um diese riesige Zahl ernähren zu
können, liessen die Herrscher rechteckige Wasserreservoirs
errichten : das östliche Baray mit einer Ausdehnung
von 7,5 x 1,8 km und das später errichtete westliche
Baray mit einer Ausdehnug von 8,2 x 2,2 km. Dieses ist
auch heute noch, 1000 Jahre nach seiner Errichtung, in Benutzung.
In seiner Blütezeit umfasste das Reich Angkors
das Gebiet Kambodschas und weite Teile des heutigen Thailand,
bis nach Burma und zur malayischen Halbinsel. Zeugnisse der
Kultur Angkors sind in diesem Gebiet überall präsent
und haben bis heute die Kulturen der verschiedenen Länder
Südostasiens beeinflusst.
Allein für den Bau des Angkor Wat, des grössten
religiösen Bauwerkes der Welt, wurden mehr Steine verbaut,
als bei der Errichtung der Cheops-Pyramide, die übrigens
mit einer Seitenlänge von etwa 230m über dreissig
mal Platz auf dem Areal allein dieses Tempels gefunden hätte.
Die Tempel Angkors
sind die übriggeblieben Zeugnisse dieser grossen Kultur,
von der es ansonsten kaum Spuren gibt. In der religiös motivierten
Architektur der Khmer war die Benutzung von Steinen nur
für religiöse Bauten vorgesehen. Alle anderen Bauwerke,
selbst die königlichen Paläste, wurden aus Holz oder
anderen vergänglicheren Materialien erbaut und haben kaum
Spuren hinterlassen. Dafür legen die Tempel und vor allem
die darin gefundenen Stelen beredts Zeugnis über die Kultur
der Khmer ab.
Um eine Hochkultur mit solch einzigartigen Kunstschätzen
und Bauwerken zu schaffen, braucht man Menschen, die erstens Lust
und zweitens auch die Zeit haben, ein Kunsthandwerk zu erlernen
und auszuüben. Wer den ganzen Tag auf dem Feld arbeitet,
hat in der Regel beides nicht und mit knurrendem Magen verspürt
man wohl auch wenig Musse, sich mit künstlerischen Dingen
zu beschäftigen. Dank fruchtbarer Böden, der Nähe
zum Tonlè Sap und vor allem des ausgeklügelten
Bewässerungssytems waren die Khmer in der Lage,
Nahrung im Überfluss zu produzieren. Es gab also genug Leute,
die von der Arbeit, die mit der Nahrungsmittelproduktion verbunden
war, befreit waren und genug Zeit hatten, um entweder Kriege zu
führen und das Reich der Khmer auszudehnen oder sich mit
kulturellen Dingen zu befassen.
Hinzu kam ein totalitäres Rechtssystem, das schon geringfügige
Vergehen mit drakonischen Strafen belegte. Wer nach Angkor
zitiert wurde, konnte sich niemals sicher sein, die Hauptstadt
auch in einem Stück wieder zu verlassen. An der Spitze stand
der König, der sich praktischerweise selbst zum Gott ("Devaraja")
erklärte und somit über uneingeschränkte Macht
verfügte. Daneben gab es eine kleine Elite von religiösen
und politischen Würdenträgern. Das einfache Volk wurde
von der Aristokratie gemeinhin als "Sklaven" bezeichnet.
Dies dürfte nicht ganz der Realität entsprechen, denn
auch Angehörige des Volkes durften Grundbesitz erwerben,
Arbeiter einstellen und hatten mehr Rechte als Sklaven, die abfällige
Bezeichnung drückt aber sehr treffend die Geringschätzung
der Bevölkerung seitens des Adels aus. Die offensichtliche
Unzufriedenheit der Bevölkerung wird durch ein anderes Detail
aus der Khmer-Geschichte deutlich : Zu Beginn des 14.
Jahrhunderts etablierten die Khmer-Herrscher
entgültig den Buddhismus als Staatsreligion und lockerten
das Prinzip des Devaraja und das rigide Staatswesen,
da es mit dem Buddhismus nicht vereinbar war. Dies hatte jedoch
zur Folge, dass viele Bewohner, die nicht mehr unter der strengen
Knute der Herrscher standen, nun das freiere Leben genossen und
sich dem Staatsdienst entzogen. Das empfindliche Bewässerungssystem
wurde nicht mehr ausreichend gepflegt und verkam. Nahrungsengpässe
waren die Folge und Angkor konnte militärisch nicht
mehr mit den aufstrebenden Thai mithalten.
Nachdem die Thai mehrfach die Stadt
erfolgreich belagert hatten, sich allerdings auch der wirtschaftliche
Fokus der Khmer auf den Handel mit China verlagert hatte, verlegten
sie die Hauptstadt nach Phnom Penh, dass in ökonomischer
Hinsicht günstiger gelegen war. Angkor verlor an Bedeutung,
geriet jedoch nie in Vergessenheit, wie gerne behauptet wird. Dass
die meisten Tempel verfielen, liegt einfach an der Tatsache, dass
nicht mehr genug Menschen im Gebiet Angkors lebten, um
die grosse Anzahl an Tempeln aufrechtzuerhalten und zum anderen
hatte die buddhistische Bevölkerung auch kein Bedarf mehr an
den riesigen steinernen Monumenten, die zudem oft noch aus hinduistischer
Zeit stammten. Der Angkor Wat beispielsweise wurde zum
buddhistischen Tempel gemacht und beherbergte durchgehend eine grosse
Anzahl von Mönchen. Dass es erst die Franzosen waren, die die
Tempel aus der Vergessenheit rissen, kann man getrost in das Reich
kolonialischtischer Propaganda einordnen. Unbestritten ist natürlich
der Verdienst der Franzosen beim Wiederaufbau Angkors.
Dieser wurde durch 30 Jahre Krieg unterbrochen.
Selbst die Roten Khmer schienen jedoch Respekt vor den
Monumenten zu haben und so entkamen die Bauten Angkors dem Zerstörungswahn,
der ansonsten vor kaum etwas Halt machte. Nach der Vertreibung der
Roten Khmer und der Wiederherstellung halbwegs stabiler Verhältnisse
wurde die Restaurierung
der Tempel umgehend wiederaufgenommen, was sich z.B. im Falle des
Baphuon
als schwierig herausstellte, denn in den Kriegswirren waren auch
wichtige Dokumente verloren gegangen.
Im Jahre 1992 wurden die Tempel Angkors
von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und gehören
mittlerweile zu den beliebtesten Touristenzielen Asiens. Dank internationaler
Anstrengungen, auch fianzieller Natur, erstrahlen die Tempel heute
wieder in neuem Glanz und dürften bei keinem Besucher ihre
Wirkung verfehlen. Gerade bei westlichen Sinnsuchern hat Angkor
eine magische Anziehungskraft. Manch einer, der in der modernen
Gesellschaft einen Mangel an Spiritualität beklagt, sieht in
den Tempeln das steingewordene Sinnbild tiefer Religiosität.
Bei aller Bewunderung für die Schaffenskraft der Khmer
sollte man jedoch nie vegessen, dass der vielbeschworene "Spirit
of Angkor" zu einem grossen Teil auf Unterdrückung, Sklaverei
und Terror beruhte und die Tempel auch mit dem Blut Unzähliger
erbaut wurden.
Die Grösse des Gebietes von Angkor
und die Fülle der Sehenswürdigkeiten legen eine gewisse
Vorausplanung nahe, was natürlich nicht heisst, dass man penibel
nach Checkliste vorgehen sollte. Aber man spart durchaus Zeit und
Geld, wenn man sich ein paar Gedanken im Voraus macht. ... mehr
Die Geschichte Angkors beginnt
mit Jayavarman II.. Dieser war als Geisel des javanischen
Königreiches Sailendra aufgewachsen. Im Jahre 790 schickte
Sailendra den jungen Prinzen zurück nach Chenla,
einem frühen Reich im Gebiet des heutigen Kambodscha, und machte
ihn dort zum König, vermutlich in der Hoffnung, ihn leicht kontrollieren
zu können. ... mehr
Ein kurzer Überblick über
die Könige des Reiches von Angkor. ... mehr
Um die Kultur Angkors richtig verstehen
zu können, mus man ein wenig über die religiösen Vorstellungen
und Strömungen der damaligen Zeit wissen. ... mehr