Ähnlich wie in Thailand, liegen die Ursprünge der Religion Angkors in Indien. Auch hier brachten indische Kaufleute und später folgende Brahmanen die Religionen Indiens nach Kambodscha, wobei der Einfluss hier vielleicht noch stärker war, als in Thailand. Der Legende nach heiratete etwa im 2. Jahrhundert ein indischer Brahmane namens Huntian die Tochter eines lokalen Fürsten und begründete so das Königreich Funan. Tanzender Shiva - Banteay Srei
 

Auch wenn der Wahrheitsgehalt dieser Legende angezweifelt wird, macht sie jedoch deutlich das die Kambodschaner selbst die Ursprünge ihrer Kultur in Indien sehen. So sind es denn auch die beiden grossen indischen Religionen, Hinduismus und Bud-

dhismus, die das Glaubenssystem der Khmer prägten. Beide Religionen existierten im Laufe der Geschichte Angkors mit unterschiedlichen Gewichtungen nebeneinander und gerade dieser Synkretismus ist das bestimmende Merkmal der Kultur Angkors.
Die Kambodschaner übernahmen bereitwillig die Glaubenssysteme ihrer "Lehrmeister", wobei sie jedoch Teile ihres ursprünglichen animistischen Glaubenssystems in die neuen Religionen integrierten. Aus Geistern wurden Schutzgottheiten und Dämonen, die weiterhin verehrt und beschworen wurden und auch heute noch werden. Ähnlich wie in Thailand, herrscht auch in Kambodscha der Glaube vor, dass die Dinge des täglichen Lebens von den Launen der Geister bestimmt werden, während die hinduistischen Götter - und später der Buddha - eher für Fragen des Seelenheils und des Schicksals zuständig sind.
 
Hinduismus
 
In der Frühzeit Angkors war der Hinduismus die bestimmende Religion, während der Buddhismus eher ein Nischendasein führte. Mit seiner hierarchischen Struktur war der Hinduismus zumindest für die Machthaber einfacher als Legitimation zu handhaben, als der, beinahe schon subversive, Buddhismus, der eigentlich nur die Hierarchie Buddha-Mönch-Laie kennt und in dem alle Wesen - eingeschlossen Herrscher und selbst Götter - letztendlich dem Dharma unterliegen.
Eine ausführliche Beschreibung des Hinduismus würde das Ausmass dieser Website sprengen. ( Eine gute Übersicht bietet : Kim Knott : Der Hinduismus. Reclam Verlag. ...Ihr wisst schon : Diese kleinen, gelben Hefte, die Ihr aus der Schule kennt.)
Der Ursprung des Hinduismus liegt in den Veden. Hierbei handelt es sich um religiöse Offenbarungen, die von unbekannten Weisen ("Rishis") überliefert wurden. Die älteste Überlieferung, das Rigveda, stammt etwa aus dem 13. Jahrhundert v.Chr.. Für strenggläubige Hindus beinhalten diese Veden die absolute, den Rishis von den Göttern geoffenbarte Wahrheit. Für weniger strenggläubige Menschen beinhalten die Veden Erkenntnisse, die die Rishis z.B. durch die Beobachtung der Natur gewannen, die sie jedoch nicht in eine adäquate Sprache umsetzen konnten und deshalb Umschreibungen wählten, um diese Zusammenhänge verständlich zu machen. Im Laufe der Zeit kamen sowohl gänzlich neue Texte, als auch Interpretationen und Ergänzungen der alten Texte hinzu und es entwickelten sich auf Grundlage der Ve-

den verschiedenste Kulte mit unterschiedlichem Fokus. So entstand z.B. das umfangreiche hinduistische Pantheon mit seiner Vielzahl an Göttern und verschiedene Götter gerieten mal mehr, mal weniger in den Mittelpunkt. Der Hinduismus beruht also nicht auf einem einzigen Glaubensbekenntnis, wie man es von monotheistischen Religionen kennt, sondern ist vielmehr ein Konglomerat verschiedener Strömungen, Praktiken und Kulte, - man kann schon fast sagen : verschiedener Religionen - die jedoch alle ihr Fundament in den Veden haben. Selbst in Indien änderte sich im Laufe der Geschichte desöfteren die Popularität verschiedener Götter und der mit ihnen verbundenen Kulte.
Als der Hinduismus Kambodscha erreichte, standen jedoch zwei Götter im Mittelpunkt : Shiva und Vishnu. Diese bilden mit Brahma das Trimurti, die hinduistische Dreifaltigkeit, die die drei Aspekte des Göttlichen darstellen.

  • Brahma
    Brahma symbolisiert im Hinduismus die Schöpfung und gilt als Erschaffer der Welt. Er wird zumeist mit vier Gesichtern und vier Armen dargestellt. Brahmas Frau - oder besser gesagt die Verkörperung seiner weiblichen Kraft - ist Sarasvati. Sein Reittier ist die heilige Gans Hamsa.
    Wie schon erwähnt, hatte Brahma im Pantheon der Khmer kaum eine Bedeutung, er soll hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt werden.
  • Vishnu
    Vishnu symbolisiert die Bewahrung. Er wird zumeist mit vier Armen dargestellt, in denen er seine Insignien hält : den Lotus als Zeichen für Weisheit und Reinheit, den Diskus, den er auf seine Feinde schleudert, eine Keule, mit der er Dämonen erschlägt und ein Muschelhorn, auf dem er bläst.
    Seine Frau ist die Göttin Lakshmi.
    Als Bewahrer sorgt Vishnu für eine ausgeglichene Ordnung im Universum. Um dies zu erreichen, inkarniert er sich ständig in verschiedenen Formen, den sogenannten Avataras, neu. Die bekanntesten Avatare Vishnus dürften Rama, der Held aus dem indischen Nationalepos Ramayana, und Krishna sein. Vishnu wird oft mit dem "Westen" in Verbindung gebracht.
  • Shiva
    Shiva heisst soviel, wie "der Gütige", was zunächst beinahe wie ein Widerspruch aussieht, denn im Trimurta verkörpert er das Prinzip der Zerstörung. Wie in den meisten östlichen Religionen entziehen sich jedoch auch die hinduistischen Götter einfachen Kategorisierungen, wie "Gut" und "Böse". Shiva ist zwar ein Zerstörer, indem er etwas zerstört, schafft er jedoch auch gleichzeitig die Basis für einen Neuanfang. Shiva beispielsweise als "böse" zu bezeichnen, wäre in etwa so, als würde man Wasser als "böse" bezeichnen, nur weil Menschen ertrinken. Schliesslich ist Wasser auch die Grundlage des Lebens.
    Shivas
    weiblicher Pendant ist Parvati. Zusammen mit ihr hat er mehrere Kinder, von denen der elefantenköpfige Ganesha am bekanntesten sein dürfte. Shivas Reittier ist der Stier Nandi, dessen Darstellungen man desöfteren in Angkor findet.
    Shiva
    wird häufig als Tänzer ("Shiva Nataraj") dargestellt und sein Tanz besiegelt das Ende eines Weltzeitalters, läutet auch aber auch gleichzeitig den Anfang eines neuen ein. So birgt die Zerstörung auch immer einen Neubeginn in sich. Im Shiva-Kult gilt Shiva deshalb, mehr noch als Brahma, als wichtigste Verkörperung des Göttlichen.
    Ein anderes, gerade im Zusammenhang mit Angkor bedeutendes, Symbol Shivas ist der Linga, ein phallusförmiger Stein, der oftmals auf einem, einer Vagina nachempfundenen Sockel, der Yoni, ruht. Über den Ursprung des Linga ist man sich uneins. Oftmals wird die Phallusform als Zeichen der männlichen Schöpfungskraft gedeutet, andere Gelehrte sehen im Linga jedoch eher ein Überbleibsel aus frühen indischen Steinkulten, weshalb der Linga, ungeachtet seiner phallischen Form, in erster Linie in seiner Eigenschaft als Stein verehrt wurde. Vermutlich kam auch hier eines zum anderen.
 
In den Anfängen Angkors war Shiva die dominierende Gottheit, später gewann auch Vishnu immer mehr an Bedeutung, bzw. ein Kult, der beide Götter als Einheit verehrte und HariHara-Kult genannt wird.
Die frühen Khmer-Herrscher ergänzten die verschiedenen Kulte jedoch um eine spezielle Variante, die sie wohl noch von ihren alten Besatzern auf Java kannten und die massgeblich ihre Macht sichern sollte, den Kult des Devaraja.
 
Devaraja
 
Devaraja bedeutet soviel wie "Gottkönig" und beruht auf dem einfachen Prinzip, dass sich der Herrscher zum Gott erklärt. Dieses Prinzip kennt man aus fast allen grossen Kulturkreisen. Die ägyptischen Pharaonen erklärten sich zu Göttern, ebenso, wie römische Caesaren und japanische Kaiser. Selbst im christlichen Europa hielten sich lange Reste dieser Einrichtung und auch wenn man christlichen Herrschern keine göttliche Abstammung mehr zusprechen konnte, so waren es doch immerhin Herrscher "von Gottes Gnaden".
Bei den Khmer vollzog der regierende Herrscher ein hinduistisches Ritual und erklärte sich selbst zur Inkarnation eines Gottes - in der Regel Shiva. Dies stellte kein Problem dar, solange es genug einflussreiche Leute gab, die von diesem System ebenfalls profitierten und es unterstützten. So war die Gesellschaft Angkors streng hierarchisch gegliedert und wurde zentralistisch verwaltet. An der Spitze stand der Gottkönig. Ihm folgten Priester, Adlige, Militärs und hohe Verwaltungsbeamte. Das einfache Volk hatte keinerlei Macht. Im Gegenteil, die Verachtung, die ihm von den höheren Ständen entgegengebracht wurde, drückt sich nirgendwo besser aus, als in der Tatsache, dass man einfache Bevölkerungsangehörige im Allgemeinen als "Sklaven" bezeichnete. Ein strenger Machtapparat sorgte dafür, dass sich an diesen Zuständen auch nichts änderte und die gewaltigen Tempelbauten inmitten der Städte dürften zudem dafür gesorgt haben, dass niemand vergass, wer im Reich das Sagen hatte.
Jeder Gottkönig errichtete einen Tempelberg, der als Heimat seiner Schutzgottheit diente. Das zentrale Heiligtum wurde zumeist durch einen Linga markiert, an dem die Priester ihre Rituale ausführten, indem sie den Linga beispielsweise in einer Zeremonie mit Wasser übergossen.
 
Buddhismus
 

Die ältesten archäologischen Spuren aus dem Reich Funan waren buddhistisch. Dies legt den Schluss nahe, dass der Buddhismus vor dem Hinduismus die bestimmende Religion war und zwar in der Form des Hinayana ("kleines Fahrzeug").
Vermutlich brachte Jayavarman II. den Hinduismus von Java nach Angkor und führte auch gleich den Devaraja-Kult ein. Der Hinduismus erschien ihm wahrscheinlich geeigneter, um seinen absoluten Machtanspruch zu legitimieren. Der Buddhismus führte in der Folge ein Nischendasein. Er war jedoch von den hinduistischen Herrschern immer geduldet und das Reich Angkors war also zumindest im religiösen Bereich von Toleranz geprägt. Einige Könige scheinen sogar von der buddhisitschen Lehre sehr angetan gewesen zu sein und förderten den Buddhismus mal mehr, mal weniger, ohne sich allerdings offen dazu zu bekennen. Im einfachen Volk dürfte der Buddhismus jedoch von je her weite Verbreitung gefunden haben, bot er doch eine Alternative zu den autoritären und abgehobenen Kulten der herrschenden Klasse. Durch den regen Austausch mit der kulturellen Vormacht Indien gelangte auch der Mahayana-Buddhismus in das Reich der Khmer. Auch dieser blieb in Angkor jedoch vorerst eine Randerscheinung.
In der Peripherie des Reiches, etwa auf dem Gebiet des heutigen Thailand, war der Buddhismus jedoch durchaus bedeutend. Diese Gebiete hatte Suryavarman I. zur Mitte des 11. Jahrhunderts von den buddhistischen Mon erobert. Der Buddhismus war dort stark in der Kultur verankert und die, in religiösen Dingen durchaus toleranten Khmer-Herrscher beliessen es auch dabei.
Im Jahre 1177 eroberten die Cham Angkor. Dieses Ereignis stellte bis dato den absoluten Tiefpunkt in der Geschichte des Reiches dar und stellte vor allem die göttliche Allmacht der Herrscher in Frage, denn, wenn sie offensichtlich nicht in der Lage waren, Schaden vom Reich abzuwenden, worin bestand dann ihre Göttlichkeit ?
Jayavarman VII., der die Cham vertrieb und im Jahre 1181 den Thron Angkors bestieg, hatte dieses Dilemma offensichtlich erkannt. Schon sein Vater, der König Dharanindravarman II. war Buddhist, hielt jedoch am alten Religionssystem fest. Da auch Jayavarman VII. Buddhist war, griff er die Gelegenheit beim Schopfe und machte seinen Glauben zur neuen Staatsreligion. Er behielt jedoch wesentliche Teile der hinduistischen Tradition bei. Im Gegensatz zum Hinayana-Buddhismus, der sich auf die reine Lehre Buddhas konzentriert, bot der Mahayana-Buddhismus mit seiner Vielzahl an Heiligen, den Boddhisatvas und der verschiedenen Buddhas genug Parallelen zum hinduistischen Pantheon, um die alten Götter abzulösen. Genauer gesagt wurden diese sogar in das neue Glaubenssystem integriert. Mit dem Buddha und seiner Lehre bekamen sie lediglich eine übergeordnete Instanz. Auch der Devaraja-Kult wurde unter anderen Vorzeichen beibehalten : Anstelle des hinduistischen Gottkönigs etablierte Jayavarman VII. eine Art "Buddha-König" und erklärte sich selbst zu einer Inkarnation Avalokitesvaras, des Boddhisatvas des unendlichen Mitleides.
Dieser Wechsel sollte allerdings nicht nur rein spirituell vonstatten gehen. Um den neuen Glauben auch sichtbar zu verankern, liess der König nach den Vorbildern seiner hinduistischen Vorgänger eine grosse Anzahl neuer buddhistischer Klöster und Tempel errichten, darunter den Preah Khan, den Ta Prohm und den Bayon als seinen Staatstempel. Allen Tempeln aus dieser Zeit sind die Türme mit den milde lächelnden Gesichtern Avalokitesvaras gemein. Man ist sich heute ziemlich sicher, dass Jayavarman VII. selbst Modell für diese Gesichter stand und sie sein Selbstverständnis als gütigem und väterlichem Führer des Volkes ausdrückten. Natürlich war dieses Selbstverständnis schwer mit dem autoritären Staatsapparat der Khmer und seinen drakonischen Strafen vertretbar und die Nachfolger Jayavarmans VII., besonders Jayavarman VIII., versuchten, auch um ihre uneingeschränkte Macht zu sichern, den alten Glauben wiedereinzuführen. Hiervon zeugen zahlreiche Zerstörungen an buddhistischen Tempeln. Diese Massnahmen waren jedoch letztlich vergebens.

Die Uhr liess sich nicht mehr zurückdrehen und der Buddhismus setzte sich schliesslich auch unter der Machtelite durch, wobei der Hinayana-Buddhismus, den man auch Theravada nennt, immer mehr an Bedeutung gewann. In der Folge war der Devaraja-Kult in seiner ursprünglichen Form nicht länger aufrechtzuerhalten, was jedoch de facto eine enorme Schwächung der Autorität des Königs bedeutete. Auch wenn die Abkehr vom autoritären Devaraja-Kult für die Bevölkerung eine Erleichterung darstellte, für das Reich Angkors läutete sie das Ende ein.
Die Bevölkerung genoss ihre neuen Freiheiten und vernachlässigte unter anderem die Pflege der Bewässerungsanlagen. Hierdurch wurde das ausgeklügelte, jedoch auch äusserst fragile Bewässerungssystem erheblich gestört. Die Folge war ein rapider Rückgang in der Nahrungsmittelproduktion und selbst Hungersnöte, bisher im Reiche Angkors unbekannt, brachen sporadisch aus. Dies schwächte das Reich auch militärisch und machte es zu einer leichten Beute für die neuen, ebenfalls buddhistischen Herrscher in Thailand. Im Jahre 1352 wurde Angkor zum ersten Male von den Thais erobert. Dies war ein Grund, warum Angkor als Hauptstadt schliesslich aufgegeben und die Kapitale nach Phnom Penh verlegt wurde. Etwa zeitgleich begann auch in Angkor der Theravada-
Buddhastatue im Angkor Wat.
Buddhismus zur bestimmenden Religion zu werden. Hiermit begann auch der Niedergang der Tempel Angkors. Zum einen hatte die verbliebene Bevölkerung nicht mehr die Möglichkeiten, die monumentalen Bauwerke aufrechtzuerhalten, zum anderen bestand auch kein Bedarf mehr nach ihnen.
Im Gegensatz zur hinduistischen Auffassung, dass die Tempel real von den Göttern bewohnt werden und von daher ständiger Pflege bedürfen, haben religiöse Bauten des Theravada-Buddhismus definitionsgemäss nur den Sinn eines Klosters. Wohnen dort keine Mönche mehr, verliert auch der "Tempel" seine Funktion.
So wurden die meisten Tempel aufgegeben und verfielen. Nur ein paar Monumente, darunter auch der Angkor Wat, wurden zu buddhistichen Klöstern "umgerüstet" und beherbergten - teilweise bis in die heutige Zeit - Mönchsgemeinden. Der Theravada-Buddhismus ist heute die führende Religion Kambodschas. Allerdings finden sich immer noch zahlreiche Spuren des animistischen und vor allem des hinduistischen Erbes in den religiösen Vorstellungen und Praktiken der Bevölkerung.
 
 
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