Etwa 110 Kilometer südöstlich von Khorat befindet sich das wohl spektakulärste Bauwerk Thailands aus der Zeit der Khmer auf thailändischem Boden.
Es handelt sich um die Anlage von Phanom Rung und der Begriff "Phanom", abgeleitet vom Khmer-Wort "Phnom" für "Hügel", deutet schon die Lage des Bauwerkes an.
Es befindet sich auf einem 380 m hohen, erloschenen Vulkan, der sich weithin sichtbar aus der umgebenden flachen Landschaft erhebt.
 
Angesichts der Bedeutung, die Berge und allen voran der mythische Berg Meru als Sitz der Hindugötter, in der Khmer-Kultur spielten. konnte ein damaliger Khmer-Herrscher eigentlich gar nicht anders, als einen
Tempel auf dieser einzigen Erhebung weit und breit zu errichten. Dementsprechend grandios ist die Aussicht, die beinahe bis nach Kambodscha reicht.
Phanom Rung wurde in der Zeit von 1972 - 1988 mit einigem Aufwand restauriert.
Obwohl die Anlage zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert errichtet und immer weiter ausgebaut wurde, spiegelt sich in ihr jedoch hauptsächlich die Geschichte eines Mannes wieder, des Khmer-Fürsten Narendraditya aus der Mahidharapura-Dynastie.
Elf Inschriften geben einen groben Überblick über die Geschichte. Am bedeutendsten ist eine Stele, die von Narendradityas Sohn Hiranya errichtet wurde. Aus dieser geht hervor, dass Narendraditya ein Vassall des grossen Khmer-Herrschers Suryavarman II. (reg. 1113 - 1150 ), des Erbauers von Angkor Wat, war.
Beide waren miteinander verwandt und pflegten wohl auch ein freundschaftliches Verhältnis. Durch grosse militärische Siege für seinen König, hatte Narendraditya eine weitgehende Autonomie über sei-
nen Herrschaftsbereich erlangt. Später zog sich Narendraditya jedoch aus dem politischen Leben zurück und widmete sich als Yogi und Guru den spirituellen Dingen des Lebens. Sein Sohn Hiranya übernahm die Herrschaft und so ist seine Stele auch als eine Art Legitimation zu verstehen.
Die gesamte Anlage ist dem hinduistischen Gott Shiva gewidmet und seine Darstellungen finden sich überall in der Tempelanlage.
Es finden sich jedoch auch die Darstellungen anderer Götter, z.B. Vishnus, was an sich ungewöhnlich ist, da Tempelanlagen dieser Art meistens ausschliesslich einem Gott gewidmet wurden.
Das gesamte Bauwerk ist streng in Ost-West-Richtung angelegt, allerdings nicht exakt in 90°, sondern mit einer Abweichung von ~6°.
Dies hat zur Folge, dass die Sonne viermal im Jahr durch die gesamte Anlage scheint.
Anfang März und Oktober ist es die untergehende Sonne, Anfang April und September die aufgehende, die quer durch die gesamte Anlage scheint. Da die aufgehende Sonne als bedeutender angesehen wird, findet jedes Jahr im April um diese Zeit das "Phanom Rung Festival" statt.
 
White Elephant Hall
 
Vom Besucherzentrum, einem enorm touristischen Ort, an dem man alle Arten von Souvenirs bekommt, gelangt man über ein paar verwitterte Stufen auf eine kreuzförmige Terrasse. Einige Meter rechts davon gelangt man zur ersten Station, der sogenannten White Elephant Hall.
Der Name beruht auf der Annahme, dass ein bedeutender König weisse Elefanten besessen haben muss und diese schliesslich einen Ort brauchten, wo sie sich aufhalten konnten.
Obwohl man die genaue Funktion dieses flachen Gebäudes aus Sandstein und Laterit mit seinen Säulen, Galerien und Veranden nicht kennt, ist jedoch davon auszugehen, dass es nicht als Stallung für Elefanten gedient hat.
Man geht eher davon aus, dass es sich um eine Art Umkleideraum handelte, in dem der Herrscher seine normalen gegen rituelle Gewänder tauschte.
 
Königsweg
Südlich von der "White Elephant Hall" geht man zurück zu der kreuzförmigen Terrasse. Von hier führt ein breiter, 160m langer Damm aus Laterit in östlicher Richtung zum Tempel, der sogenannte önigsweg.
Gesäumt wird der Weg von jeweils 67 lotusförmigen Grenzsteinen. Die Form dieser Grenzsteine ist der erste Hinweis auf die Entstehungszeit dieser Anlage, da sie der Angkor Wat-Periode aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zuzurechnen sind.
 
1. Naga-Brücke
Nach dem Königsweg gelangt man auf eine Terrasse, die von Balustraden eingefasst wird, deren Enden fünfköpfige Nagas darstellen.
Diese Nagas, die in Khmer-Inschriften auch mit Regenbogen verglichen werden, sollen den Besucher von der irdischen in die göttliche Welt geleiten.
Man spricht aus diesem Grunde auch von einer Naga-Brücke.
 
 
Von der ersten Naga-Brücke erfolgt der Aufstieg über eine 30m hohe Treppe, die in fünf Abschnitte unterteilt ist.
Trotz der relativ geringen Höhe kann der Aufstieg, besonders in der Mittagshitze, ziemlich anstrengend und schweisstreibend sein.
Anschliessend gelangt man auf eine weite Platform und steht unmittelbar vor der östlichen Flanke der Tempelanlage.
In die Platform sind vier symmetrisch angeordnete Teiche eingelassen, die wohl die vier Ozeane der Khmer-Mythologie darstellen sollten und die rituelle Bedeutung hatten.
   
2. Naga-Brücke
Unmittelbar vor dem Eingang, dem östlichen Gopura, befindet sich eine weitere Naga-Brücke. Die Nagas hier sind jedoch feiner gearbeitet und schauen grimmiger, als bei der ersten.
In den Bodenplatten stösst man auf verschiedene Löcher und Bohrungen. Diese hatten wohl sowohl rituelle Bedeutung, da hier Kultgegenstände abgelegt wurden, auf der anderen Seite dienten sie aber wohl auch ganz profan als Halterungen für Holzsäulen und Masten.
 
östlicher Gopura
 
Man befindet sich nun direkt vor der äusseren Mauer, die an jeder Seite einen Eingang, einen sogenannten Gopura, besitzt. Im konkreten Falle steht man direkt vor dem östlichen Gopura, der der aufgehenden Sonne zugewandt ist und somit eine Art "Haupteingang" in das Tempelgelände bildet. Als solcher ist er dementsprechend auch reich verziert.
Der Giebel zeigt einen Hindu-Yogi, der von Tänzern, die Shiva symbolisieren, umringt wird. Möglicherweise handelt es sich um eine Darstellung Narendratityas.
Auf dem Türsturz sieht man eine Gottheit, die auf dem Daemon Kala ruht und zwei Löwen bei den Hinterbeinen hält. Der alles verschlingende Daemon Kala ist übrigens ein Symbol für die Zeit und wird sehr häufig auf Turstürzen dargestellt.
   
Mandapa
Wenn man den östlichen Gopura durchquert, gelangt man auf eine weitere Naga-Brücke und steht unmittelbar vor dem Vorraum des Prang, dem Mandapa, welcher den Blick auf den Turm versperrt. Ein Mandapa ist eine Vorhalle oder ein Pavillon, der zum eigentlichen Heiligtum führt. Verbunden werden Mandapa und zentraler Schrein durch einen Korridor, den Antarala.
Seinen Giebel ziert eine wunderschöne Darstellung eines zehnarmigen tanzenden Shiva Nataraja,des Gottes der Tänzer,im Angkor Wat-Stil.
In der hinduistischen Mythologie ist Shiva sowohl der Herr über die Zerstörung, als auch über die Erschaffung und als Tänzer schlägt er den Rhythmus für jede Bewegung im Kosmos.
Ihm kommt somit enorme Bedeutung zu, da er quasi den "Motor des Universums" verkörpert. Die Darstellung Shivas als Tänzer ist eine der am weitesten verbreiteten in der hinduistischen Kunst.
   
Phra Naraj - Relief  
Es ist jedoch das Relief auf dem Türsturz - das Phra Naraj- Relief-, welches die Aufmerksamkeit der meisten Besucher auf sich zieht und wohl die bekannteste Steinmetzarbeit Thailands ist.
Der linke Teil des zerbrochenen Reliefs zeigt einen, auf der endlosen Weltschlange Ananta ruhenden Vishnu. Sehr schön sind auch die beiden elegant gestalteten Papageien auf dem rechten Teil des Türsturzes.
Es ist jedoch nicht seine Schönheit, die den Türsturz so berühmt gemacht hat, sondern seine bewegte jüngere Geschichte.
Irgendwann zwischen 1961 und 1965 verschwand das Relief, das vorher, in zwei Teile zerbrochen, auf dem Boden gelegen hatte. Alle Suche blieb erfolglos. Jahre später tauchte es im National Art Institute von Chicago wieder auf. Nachforschungen ergaben, dass es dem Institut von dem amerikanischen Kunstsammler James Alsdorf "gespendet" worden war. Allerdings weigerten sich die Amerikaner ihre Diebesbeute zurückzugeben.
Als sich die Restaurierungsarbeiten an Phanom Rung Mitte der Achtziger Jahre dem Ende näherten und eigentlich nur noch das Relief fehlte, kam es zu einem öffentlichen Aufschrei in Thailand. Die thailändische Regierung legte scharfen Protest ein und vor der amerikanischen Botschaft in Bangkok gab es massive Proteste. Die überaus beliebte und sozial engagierte Thai-Rockband Carabao schrieb den Song "Made in Thailand", der in der Forderung gipfelte :
"Behaltet Euren Michael Jackson, aber gebt uns den Phra Naraj zurück."
Als schliesslich Tausende, in den USA lebende Thais, vor dem Art Institute und in anderen Städten der USA auf die Strasse gingen und sich die Angelegenheit zu einer ernsthaften diplomatischen Krise auszuweiten drohte, gaben die Amerikaner nach. Allerdings forderten sie einen, nicht unerheblichen, Geldbetrag, der von privaten thailändischen Spendern aufgebracht wurde und forderten das Recht, Leihgaben vom thailändischen Fine Arts Department zu erhalten. Als diese Forderungen erfüllt waren, wurde des Relief 1988 an seinem angestammten Platz installiert. Bis heute hält sich jedoch das Gerücht, die Amerikaner hätten nur eine Kopie des ursprünglichen Reliefs zurückgegeben. Die ganze Affäre ist auch einer von vielen Gründen, warum Amerikaner in Thailand nicht besonders beliebt sind.
Eine Legende besagt übrigens, dass von den sieben, am Diebstahl beteiligten Thais, sechs eines "nicht-natürlichen" Todes gestorben seien, was allerdings unter thailändischen Kriminellen wiederum nicht besonders aussergewöhnlich ist.
 
Der Boden des Mandapas liegt ein gutes Stück unter dem Level des zentralen Heiligtums und des Antaralas.
Die Stufen, die hinunter führen, stammen aus späterer Zeit. Vermutlich befand sich hier früher ein Holzfussboden. Man vermutet, dass der Raum auch über eine Holzdecke verfügte.
Die Darstellung des Bullen Nandi, dem Reittier Shivas, stammt ebenfalls aus späterer Zeit.
Im Inneren des Mandapa finden sich viele verschiedene Darstellungen der hinduistischen Mythologie.
Auf diesem Türsturz über dem Eingang zum Antarala sieht man fünf betende Rishis, hinduistische Priester und Asketen, die die Vorgänger der Brahmanen waren.
 
Prang
Der Prang, der das zentrale Heiligtum beherbergt ist 23m hoch und 9m breit und besteht aus rosafarbenem Sandstein. Er ist über und über mit mythologischen Figuren verziert.
Vermutlich wurde der Prang im frühen 12. Jahrhundert errichtet, also nach dem entsprechenden Gebäude in Phimai. Er wirkt auch wuchtiger, als sein Pendant.
Im Inneren des Heiligtums befindet sich der phallusförmige Linga des Shiva, über den früher Priester geweihtes Wasser gossen. Das Wasser floss nach aussen über die Rinnen im Boden ab. Auch das Innere des zentralen Heiligtums ist reich geschmückt.
 
weitere Gebäude
 
In der südwestlichen Ecke der Anlage befindet sich ein weiterer Turm, der Prang Noi.
Er wurde vermutlich im späten 10. Jahrhundert errichtet, ist also wahrscheinlich älter, als die restliche Anlage. Man vermutet, dass er jedoch unvollendet blieb.
Rechts und links vom Haupteingang befinden sich zwei Gebäude - die Banalais - , die als Bibliotheken dienten.
Im nordöstlichen Bereich stösst man auf die Reste zweier weiterer Strukturen, von denen jedoch nur noch einzelne Säulen übrig geblieben sind. Diese wurden ins 10. Jahrhundert datiert, sind also ebenfalls älter, als das zentrale Bauwerk.
 
Plan
 
 
 
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