Schon vor 400 Jahren zog es Europäer nach Thailand. Angezogen vom sagenhaften Reichtum des Landes, kehrten sie ihrem alten Kontinent den Rücken und versuchten sich unter Palmen eine neue Existenz aufzubauen. Einer dieser frühesten "expats" war der Grieche Constantine Phaulcon. Ihm gelang sogar das Kunststück, massgeblichen Einfluss auf die Geschichte des damaligen Siam zu nehmen. Allerdings beging auch er letztlich denselben Fehler, den auch heute noch viele Auswanderer begehen : Er vergass, dass er letztlich nur Gast in Siam war, ignorierte aus Arroganz die kulturellen Befindlichkeiten der Einheimischen und ging, nach einem kometenhaften Aufstieg, ebenso schnell wieder unter.
 

Phaulcon wurde im Jahre 1647 auf der griechischen Cephalonia unter dem Namen Constantine Gerakis geboren. Der Junge entstammte ärmlichen Verhältnissen und verliess das Elternhaus schon im Alter von 10 Jahren, um auf einem englischen Handelsschiff als Schiffsjunge anzuheuern. Schon früh zeigte sich das Sprachtalent Phaulcons und wegen seiner Vorliebe für das Französische änderte er seinen griechischen Namen Gerakis, was "Falke" bedeutet, in die französische Übersetzung Phaulcon.
In England traf er auf die Gebrüder George und Samuel White, die mit äusserst dubiosen Handelsgeschäften reich geworden waren und ihre Aktivitäten nun auf den asiatischen Raum ausdehnen wollten.

Nachdem die Chinesen zur Mitte des 16. Jahrhunderts ihre Handelsflotte zerstört, ihre Seehäfen geschlossen und den Aussenhandel offiziell verboten hatten, kam Siam nun eine Schlüsselstellung im asiatischen Handel zu. Natürlich betrieben die chinesischen Kaufleute weiterhin Handel, nutzten nun allerdings den Landweg und vor allem den Mekong. Siam verband diese Handelsstrassen mit dem Meer.
In England besass die East India Company ein Monopol auf den Handel mit Asien. Schon 1612 war der erste Handelsposten in Siam eröffnet worden.
Die Whites sahen in der East India Company eine geeignete Platform für ihre eigenen Geschäfte. Phaulcon schloss sich ihnen an und lernte sehr schnell, wie der Handel funktionierte und vor allem, wie man seine Regularien zum eigenen Vorteil umgehen konnte.
Im Jahre 1675 reisten die drei mit dem Handelsschiff "Phöniz" unter dem Kommando von George White nach Siam und erreichten schliesslich Ayutthaya, die Hauptstadt Siams. Dort herrschte seit 1656 König Narai, der dem Land nach jahrzehntelangen inneren Konflikten und Kämpfen um den Thron eine gewisse Stabilität gebracht hatte. Ayutthaya erlebte eine enorme Blüte und europäische Besucher schwärmten von der Metropole - zu dieser Zeit eine der grössten Städte der Welt - sie sei buchstäblich mit Gold gepflastert. Ein ideales Betätigungsfeld für Phaulcon und die Whites.
Narai sass zu dieser Zeit in der Klemme. Durch die ständigen inneren Unruhen und den Dauerkonflikt mit den Burmesen hatten seine Vorgänger es versäumt, sich angemessen mit den neuen Besuchern aus Europa zu beschäftigen. Die beiden Handelsmächte England und Holland befanden sich in einem zähen Kampf um den Handel in Asien, in den auch Siam mehrfach verwickelt wurde. Im Jahre 1664 waren schliesslich holländische Kanonenboote auf dem Chao Phraya aufgetaucht und hatten Narai ein unvorteilhaftes Handelsabkommen abgepresst. Narai wusste, dass sein Land auf den Handel mit Europa angewiesen war, allerdings fehlten Erfahrungen im Umgang mit den Europäern. Hier kam Phaulcon ins Spiel.
Aufgrund seines Sprachtalentes war es ihm in kürzester Zeit gelungen, die thailändische Sprache zu lernen. Darüberhinaus sprach er neben seiner griechischen Muttersprache noch fliessend englisch, französisch und portugiesisch. Die Whites sahen in Phaulcon ein ideales Instrument, um ihre zweifelhaften Geschäfte fortzuführen. Sie platzierten ihn als Dolmetscher bei der East India Company und führten ihn in die Gesellschaft der europäischen Geschäftsleute ein. Währenddessen tätigten sie fleissig ihre eigenen Geschäfte und unterliefen somit ständig das Monopol der East India Company, der sie offiziell angehörten.
Auch Richard Burnaby, einer der Leiter der East India Company, wurde auf den talentierten Griechen aufmerksam und führte ihn schliesslich am Hofe Narais ein. Kurz darauf bestellte Narai Phaulcon als Dolmetscher an seinen Hof. Vermutlich hatte Narai erkannt, dass der Grieche zwar offiziell die Interessen der East India Company vertrat, sich aber in Wirklichkeit keinen Deut um die Engländer scherte und nur seine eigenen Ambitionen verfolgte. Narai begab sich also mit der Wahl Phaulcons in keinerlei Abhängigkeiten von irgendeiner Grossmacht. Phaulcon gewann immer mehr das Vertrauen des alternden Königs und wurde schliesslich zu seinem wichtigsten Berater in aussenpolitischen Fragen. Als einzigem Europäer gelang es Phaulcon sogar, in den siamesischen Adelsstand aufgenommen zu werden, was jedoch einen Affront gegenüber dem alten Adel Ayutthayas bedeutete und ihm dort sehr viele Feinde einbrachte. Daneben führte er einen äussserst aufwendigen und protzigen Lebensstil, der viele Neider hervorrief.
Narais Palast in Lopburi. Da Narai erkrankte und auch um der ständigen Bedrohung durch die Burmesen und die Europäer zu entgehen, hielt er sich hauptsächlich in seinem Palast in Lopburi auf. Phaulcon hatte nun in Ayutthaya freie Hand. Er kommunizierte persönlich mit Ludwig XIV., dem französischen "Sonnenkönig", vergass aber vor allem seine eigenen Geschäfte und auch die seiner Freunde nicht. So verschaffte er Samuel White den Posten des Hafenvorstehers von Mergui, zu dieser Zeit einer der wichtigsten Häfen Siams. Für White kam dieser Posten einer Lizenz zum Gelddrucken gleich. Darüber hinaus ermutigte Phaulcon Kaufleute, das Monopol der East India Company zu unterminieren und Geschäfte auf eigene Rechnung zu tätigen, wobei natürlich wiederum Phaulcon und die Gebrüder White

lukrative Geschäfte mit diesen sogenannten "interlopern" machten, bzw. sich ihre Untertützung bezahlen liessen.
Diese Machenschaften blieben natürlich von der East India Company nicht unbemerkt und sie wandte sich offiziell an den englischen Königshof, mit der Bitte um Unterstützung. England drohte mit einem Handelskrieg.
Phaulcon wiederum überzeugte Narai, sich von England zu lösen und die Nähe zu Frankreich, traditionell einem erbitterten Gegner der Engländer, zu suchen.
Am 25.12.1680 startete eine siamesische Gesandtschaft nach Frankreich. Als Geschenk für Ludwig XIV. wollte man ihm die Stadt Songkhla ( früher Singora ) machen. Das Schiff sank jedoch und es gibt Anzeichen dafür, dass die East India Company an diesem Unglück nicht ganz unbeteiligt war.
Vier Jahre später erreichte jedoch eine siamesische Delegation den französischen Hof und schon kurz darauf erwiderten die Franzosen den Besuch mit einer Kompanie von 700 Soldaten und einer Unzahl von Handwerkern, die an der Mündung des Chao Phraya zwei Forts errichteten. Desweiteren waren die Franzosen auch bei anderen Bauprojekten des Königs behilflich. So findet man z.B. in Narais Palast in Lopburi Gebäude mit eindeutig französischen Vorbildern. Zwischen Frankreich und Siam entwickelte sich ein reger Austausch und die Franzosen erhielten weitreichende Zugeständnisse, u.a. auch das lukrative Monopol über den Zinnabbau auf Phuket.
Die East India Company wollte den siamesischen Markt jedoch nicht kampflos aufgeben. Nachdem alle diplomatischen Mittel versagt hatten, wollte man nun andere Seiten aufziehen. 1686 versenkte ein britisches Kriegsschiff ein Handelsschiff unter thailändischer Flagge, dessen Kapitän wohl nicht ganz zufällig George White hiess. Dieser war mit Unterstützung Phaulcons ebenfalls in die Dienste Narais eingetreten. Mit dem Tode seines Freundes verlor Phaulcon einen seiner wichtigsten Verbindungsleute zu den "interlopern", der Angriff der Engländer traf ihn also unmittelbar persönlich, was wohl auch nicht ganz unbeabsichtigt war. Die Engländer beliessen es jedoch nicht dabei, sondern sie beorderten weitere Kriegsschiffe nach Siam und belagerten den Hafen von Mergui. Dort verkündeten sie, dass jeder Kaufmann, der versuchte das Handelsmonopol der East India Company zu brechen, vor ein Kriegsgericht gestellt und hingerichtet würde.
König Narai, inzwischen schwer erkrankt und fast völlig von seinem Berater Phaulcon abhängig, konnte dies natürlich nicht hinnehmen. Er kündigte alle Abkommen mit der East India Company und liess alle britischen Schiffe des Landes verweisen. Als die Engländer diesem nicht nachkamen, eröffneten die Batterien des Hafens von Mergui das Feuer und versenkten ein englisches Kriegsschiff. Darüberhinaus erklärte Narai der East India Company den Krieg, wohlgemerkt nur der East India Company, nicht dem britischen Königshaus.
Die Engländer mussten erkennen, dass ihre Anwesenheit in Siam nun mehr als unerwünscht war und es keine Basis mehr für Handelsbeziehungen jedweder Art gab. Zudem hätte eine militärische Intervention auch einen Konflikt mit Frankreich heraufbeschworen, den die Briten jedoch vermeiden wollten. So zogen sie sich vorerst zurück. Dies ist wahrscheinlich der letzte Triumph des Constantine Phaulcon, denn auch für ihn begann sich das Blatt langsam aber unweigerlich zu wenden.
Die Tatsache, dass er als Ausländer de facto zum zweitmächtigsten Mann im Lande aufgestiegen war und den König bei seinen Entscheidungen beeinflussen konnte, hatten ihm unzählige Feinde in der siamesischen Nomenklatur eingebracht. Hinzu kamen seine Skrupellosigkeit und allzu offensichtliche Geldgier, gepaart mit ungebändigter Protzerei und Verschwendungssucht, die ihm nicht wenige Neider bescherten.
Seinen vermutlich grössten Fehler beging er jedoch, als er begann Narai zum Christentum bekehren zu wollen und dieser offensichtlich nicht einmal abgeneigt war. Schon seit Jahrhunderten war der Buddhismus das Fundament der thailändischen Gesellschaft und Hierarchie gewesen. Die gesamte Kultur des Landes, die Politik, selbst der Umgang der Menschen miteinander und die Art und Weise, wie sie miteinander kommunizieren, fusst zum grössten Teil im Buddhismus. Man stelle sich nur einmal die Begeisterung in der amerikanischen Bevölkerung vor, wenn der Präsident, womöglich noch unter dem offensichtlichen Einfluss arabischer Geschäftsleute, öffentlich darüber nachzudenken begänne, aus den USA einen islamischen Staat machen zu wollen. Ähnlich darf man sich den Effekt in der damaligen Bevölkerung Siams vorstellen.
Phaulcon übersah diesen Aspekt jedoch völlig oder er fühlte sich, von seiner französischen Leibgarde beschützt, allzu sicher. Natürlich entstammte sein Missionierungseifer nicht einem tiefen religiösen Gefühl, sondern er sah in der Bekehrung Narais lediglich einen weiteren Schritt, um seinen Einfluss auf den kranken König auszuweiten.
Derweil spitzten sich die Ereignisse im Lande zu. Da die Franzosen nun keine Konkurrenz mehr fürchten mussten und sich des Wohlwollens Phaulcons und damit offensichtlich auch Narais sicher sein konnten, begannen sie sich bald wie die Herren im Lande zu fühlen und nahmen alsbald keine Rücksicht mehr auf kulturelle Befindlichkeiten der siamesischen Bevölkerung. Als Reaktion entwickelte sich eine stark ausländerfeindliche Strömung im Volke und im Adel, die selbst vor dem König nicht mehr Halt machte. Der Ausverkauf der Landes war zu offensichtlich geworden und es waren, während die Bevölkerung aussen vor blieb, vornehmlich Ausländer, die an diesem Ausverkauf verdienten.
Unter dem General Phra Phetracha formierte sich die Opposition. Getrieben von seiner Gier und verblendet von seiner Arroganz, hatte Phaulcon es während seines Aufenthaltes in Siam offensichtlich immer versäumt, etwas über die Befindlichkeiten der Bevölkerung zu lernen, geschweige denn, ausser zum König, irgendwelche Kontakte zu Thais zu pflegen. So entging ihm der wachsende Widerstand völlig. Stattdessen baute er seine Beziehungen zu den immer verhassteren Franzosen aus und wurde gar in den französischen Adelsstand erhoben, was ihn offensichtlich immer mehr den Sinn für die Realität verlieren liess.
So kam sein Ende auch ebenso schnell, wie überraschend.
Im März 1688 erkrankt Narai schwer. Phra Petracha ergreift die Gelegenheit und lässt den König, unter dem Vorwand ihn pflegen zu wollen, festsetzen. Nebenbei lässt er auch noch Narais Adoptivsohn Piya ermorden, was allerdings nicht an die ganz grosse Glocke gehängt wird..
Als unmittelbar Nächster steht Phaulcon auf Phra Petrachas Liste. Der Grieche wird verhaftet und man beschuldigt ihn der Konspiration. Phra Petracha lässt Phaulcon grausam foltern, um an seine Reichtümer zu gelangen. Nachdem Phaulcon unter Qualen seine Geheimnisse verraten hat, schlägt man ihm am 05.06.1688 den Kopf ab. Kurz darauf emrordet Phra Petracha noch zwei Brüder Narais und ist somit unangefochten der mächtigste Mann im Staate. Narai selbst stirbt am 11.07.1688, wobei nicht geklärt ist, ob Phra Petracha nicht auch hier nachgeholfen hat.
Jedenfalls liess sich der General unmittelbar danach zum König krönen und begann mit den Franzosen aufzuräumen. Er entsandte ein grosses Heer um die französischen Forts zu belagern. Angesichts der Übermacht und mit der Tatsache konfrontiert, nun keine Untertützung mehr in dem fremden Land zu haben, gaben die Franzosen schnell auf und verliessen das Land. Um wiederum die Sicherheit der siamesischen Gesandten in Frankreich sicherzustellen, liess Phra Petracha alle französischen Missionare festnehmen und liess sie erst im Austausch gegen die eigenen Diplomaten frei. Als nächstes wurden alle Ausländer aus dem Land vertrieben und Siam schottete sich für die nächsten hundert Jahre von Europa ab. Als die Franzosen im Jahre 1698 einen erneuten Versuch unternahmen, Kontakte mit Siam zu knüpfen, wurde dieser abgelehnt.
Erst unter den Königen der Chakri-Dynastie kam es wieder zu einer langsamen Öffnung des Landes. Erkennbarstes Überbleibsel der bewegten Geschichte Phaulcons und des französischen Einflusses in Siam ist übrigens die Bezeichnung "Farang" oder "Falang" für alle europäischen Ausländer, die sich direkt aus dem Wort "Farangset", dem thailändischen Namen für Frankreich,ableitet und bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges durchaus einen negativen Touch hatte.

 
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